"The prioneer spirit" - in Sha'ar HaNegev gibt es ihn


Auf der Fahrt von Mitspe zu unserer Partnerregion Sha'ar HaNegev (Tor zur Negev) führt uns Tati in die Geschichte der ebenso wichtigen wie interessanten Kibbutz-Bewegung ein. Der erste Kibbutz namens Degania, gegründet 1909 südlich des See Genezareth, basierte wie seine Nachfolger, auf einem ur-sozialistischen Prinzip,
man bekommt von der Gemeinschaft, was man braucht und gibt, was man kann.So leisteten die Kibbuzim als Pioniere einen wichtigen Beitrag bei der Urbachmachung des Landes. Seit den 70er und 80er Jahren können nur noch besonders profitable Kibbuzim in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gesamtlage überleben. Viele werden privatisiert, die weiterbestehenden arbeiten höchst effizient und erfolgreich. Im Kibbuz ist man rundum versorgt, erlebt eine besondere Kindheit mit den anderen Jugendlichen und ist auch im Alter nicht allein. Am meisten stören sich Menschen vor der Familiengründung an dem Fehlenden Individualisimus und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten. Kibbuz heute also kein Auslaufmodell, aber nicht mehr so vorherrschend wie zu Gründungszeiten des Staates.

Unterstände zum Schutz vor Raketen findet man auf Schritt und Tritt

Wir werden in Sha'ar HaNegev vom früheren Bürgermeister und heutigen Knesset-Abgeordneten Allon Schuster begrüßt. Er ist kein Unbekannter im Landkreis Karlsruhe sondern hat über Jahrzehnte die Partnerschaft aufgebaut und mit Leben gefüllt. Allon (in Israel spricht man sich mit dem Vornamen an) führt uns in den Sicherheitsraum bzw. Schutzbunker des Kibbuz Nahal Oz, das wenige hundert Meter vom Gaza-Streifen entfernt liegt. Dort stellt er uns Raimond, einen athletischen blonden jungen Familienvater vor, der 2018 aus Holland nach Israel und nach Nahal Oz eingewandert ist. Nahal Oz hat ungefähr 300 Einwohner, die Region Sha'ar HaNegev mit mehreren Kibbuzim ca. 8000. Nach den militärischen Konflikten 2008 (Cast Lead) und 2014 (Protective Edge) verließen 17 Familien die Region aus Sicherheitsgründen, 20 kamen neu hinzu. Raimond erläutert uns, warum er nach Israel und Nahal Oz kam.
Die Gruppe lauscht im Schutzraum von Nahal Oz
Raimond aus Holland und Schuly
Allon Schuster
Bernd Morlock dankt und überreicht ein Gastgeschenk

Die Reiseteilnehmerin Inge Grether war vor 40 Jahren im Kibbuz Mefalsim als Volontärin tätig
Wir besichtigen das hydrotherapeutische Zentrum Beispiel für Gemeinsinn und Fürsorge des Kibbuz
Es war vor allem der wachsende Antisemitismus in Holland und die Fürsorge für die Kinder, die damit nicht umgehen konnten und noch jung genug für den Wechsel waren. Das Leben hier ist zwar schwer und gefährlich. Er arbeitet tagsüber in der Landwirtschaft und im Kuhstall und wenn er um 16 Uhr heim kommt muss er oft ausrücken, um die durch Feuerdrachen und Ballons entzündeten Feuer zu löschen. Neuerdings haben die Hamas-Terroristen einen Mechanismus entwickelt, bei dem die Ballons permanent eine brennende Flüssigkeit ablassen und so eine Feuerspur über größere Geländeabschnitte verbreiten, was das Löschen schwieriger macht. Raimond hat eine Feuerwehrausbildung und die Regierung tut alles zur Unterstützung. Mit Hilfe einer inoffiziellen Abmachung (im Zusammenhang mit Geldern aus Katar) konnten die Brandstiftungen in diesem Jahr reduziert werden.Dennoch fliegen Ballons ab 16 Uhr, wenn der Wind vom Meer Richtung Land weht. Raimond bezeichnet die Situation als "tödliches Spiel". Einerseits muss die Hamas ihren Leuten zeigen, was sie kann andererseits möchte sie auch nicht zu sehr provozieren. Machthaber wie Assad oder Putin bombardieren ihre Gegner in Grund und Boden. Das kann und will Israel nicht tun. Schließlich handelt es sich zwar um 10% Terroristen, aber auch um 90 % Zivilbevölkerung. Was ihn trotz allem hier hält ist das Gemeinschaftsgefühl und der Zusammenhalt.
Gaza mit dem Schutzbau für die Tunnelsperranlage
Die Gruppe beim Blick nach Gaza
Allon Schuster erläutert die Situation
Allon Schuster, dessen Eltern und Großeltern aus Deutschland kommen, in den 30er Jahren vor Hitler nach Argentinien geflohen und nach der Staatsgründung in Israel eingewandert sind, nimmt uns zu einer Gedenkstätte für die in der Verteidigung dieses Landes gefallenen Soldaten mit. Schließlich handelt es sich hier um keine Siedlung, sondern die Region gehört seit dem Teilungsbeschluss der UNO 1947 und der Staatsgründung 1948 zum souveränen Staat Israel. Von dieser Gedenkstätte, die zugleich ein Aussichtspunkt ist, sieht man weit in den Gazastreifen hinein. Man sieht einen Erdwall hinter dem die Tunnelsperranlage errichtet wird, um zu verhindern, dass sich die Hamas an den Sperranlagen vorbei Zugang in Land verschafft und etwa Terroranschläge oder Geiselnahmen verübt. Man sieht den "Versammlungsplatz" für die gewalttätigen Freitagsdemonstrationen, die im letzten Jahr gestartet wurden. Die Situation hat sich verschlechtert. Früher gab es offizielle Kontakte und die Menschen vom Gazastreifen fanden Arbeit in den Kibbuzim.

Ruthie neben dem Unterstand und vor den gesicherten Gebäuden des Sapir College
Eine weitere Sicht auf die Situation erhalten wir durch Dr. Ruth Eitan, Professorin und Abteilungsleiterin des Sapir Collge, mit 8000 Studenten der größten Einrichtung dieser Art in Israel. Es werden vor allem Ingenieure und Sozialarbeiter dort ausgebildet. Wir versammeln uns direkt neben einem Schutzunterstand, den man hier wie in Nahal Oz auf Schritt und Tritt findet. Denn bei Alarm hat man nur 10 Sekunden. Am College bedauert man, dass es aufgrund der Sicherheitslage keinen internationalen Austausch gibt. Man bietet viele Plätze für beduinische Studenten, aber auch für Studenten aus dem Norden Israels, hat aber Schwierigkeiten die jungen Leute nach der Ausbildung hier zu halten.Die früheren Kontakte mit Ausbildungsstätten auf der Gaza-Seite hat man eingestellt, nachdem die arabischen Kollegen nach ihrer Rückkehr gefoltert wurden. Man ist nicht optimistisch, aber man hofft und bemüht sich. Es geht darum, wie Allon Schuster zu Beginn gesagt hatte, im Sinne Herzls eine Gemeinschaft aufzubauen, auf die die Eltern und Großeltern und die Welt stolz sein kann, ein "Licht für die Völker", so bestätigt er eine "poetische" Frage aus dem Publikum.

Wir werden verköstigt, bedanken uns für die Gastfreundschaft und fahren weiter nach Jaffa und Tel Aviv. Die Gruppe eruiert anhand der Sternzeichen, warum man zu gut zusammengefunden hat.






Nach dem Abendessen treffen wir mit Frau Ruth Orion und ihren Kindern Mirav und Allon zusammen. Frau Orion ist die Tochter von Ernst Carlebach aus Untergrombach, dessen Familie in den 30ern aus Nazi-Deutschland fliehen und in Israel eine neue Heimat finden konnte. Uns interessierte vor allem welchen Bezug die dritte Generation, also die Enkel, zu Deutschland hat. Wir konnten feststellen, dass es  in der Erlebnisgeneration hier große Unterschiede gab. Manche Juden, die von den Nazis schlimmes erlebt hatten, wollten nichts mehr von Deutschland wissen oder dorthin zurück kehren, ja wollten nicht einmal, dass ihre Kinder Deutsch sprachen. Eine nachvollziehbare Haltung. Andere, und dazu gehörte Ernst Carlebach, wollten nicht vergessen und vergeben, aber ein neues Kapitel aufschlagen und nahmen offizielle Einladungen an. Es entstanden intensive Kontakte und Freundschaften trotz der Vergangenheit. Ernst Carlebach erhielt das Bundesverdienstkreuz für sein Engagement bei der Wiedereinweihung des Obergrombacher Judenfriedhofs, der während der Nazizeit geschändet und dessen Grabsteine als Baumaterial in einer Hohle verwendet wurden. Die Kontakte sollen fortgesetzt werden.

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